Yggdrasil - Die Weltenesche
Yggdrasil (sprich: ügdrasil) lautet der Name der Weltenesche
in der germanischen Mythologie Edda.
Dieser Weltenbaum verbindet Himmel und Erde und ist ein
Symbol für das Leben.
Yggdrasil („Ross des Schrecklichen“ o. ä.; auch: Mímameiðr,
Læraðr) ist in der germanischen Mythologie – aus den Berichten der Liederedda
und der Prosa-Edda – die riesenhafte immergrüne Weltesche oder Weltenesche,
unter deren Bild man sich das ganze Weltgebäude vorstellte.Inhaltsverzeichnis
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1 Yggdrasil in der Edda
1.1 Der Aufbau der drei Ebenen Yggdrasils
2 Symbolik
3 Kult
4 Etymologie
5 Historische Wurzeln
6 Schamanische Bezüge
7 Von der Eibe Yggdrasil
8 Weblinks
9 Einzelnachweise
10 Literatur
Yggdrasil in der Edda [Bearbeiten]
Nachdem die Asen den Ur-Riesen Ymir getötet haben, schaffen
sie, dem Mythos nach, aus seinem Leichnam alle existierenden Dinge. Die
Weltesche Yggdrasil ist der erste Baum, den sie pflanzen. Er ist der größte und
prächtigste Baum der Erdengeschichte. Seine Zweige überschatten die neun Welten
und wachsen über den Himmel. Auf der Spitze befindet sich der Jötun-Riese
Hräswelgr in der Gestalt eines Adlers, der mit den Flügeln schlagend den Wind
erzeugt. Zwischen den Augen des Adlers sitzt ein Habicht, der Vedrfölnir
genannt wird.
Yggdrasil hat drei große Wurzeln, von denen eine nach
Jötunheim, dem Land der Riesen, wächst, wo sich auch Mimirs Brunnen befindet.
Die andere Wurzel führt in das nebelige Niflheim nahe der Quelle Hvergelmir, wo
der Neid-Drache Nidhogg (Nidhöggr) an ihr nagt. Die dritte Wurzel findet sich
in der Nähe von Asgard. Das Eichhörnchen Ratatöskr klettert immer an der
dritten Wurzel hin und her und verbreitet dabei üble Nachrede vom Adler bis zum
Neiddrachen. Vier Hirsche namens Dain, Dwalin, Dunneir und Durathror fressen
die Knospen der Weltenesche ab. Die zwei Schlangen Goin und Moin, die von
Grafwitnir (Grabeswolf) abstammen, nagen an den Wurzeln von Yggdrasil.
Unter den Zweigen Yggdrasils halten die Götter Gericht. Am
Fuße Yggdrasils findet sich die Quelle der Urd, an der die drei Nornen ihren
Sitz haben, die drei Schicksalsgöttinnen Urd, Werdandi und Skuld, die das
Schicksal der Menschen und Götter weben, wobei Urd für die Vergangenheit,
Werdandi für die Gegenwart und Skuld für die Zukunft steht. Wenn Yggdrasil zu
beben (oder zu welken) beginnt, naht das Weltenende Ragnarök.
Der Aufbau der drei Ebenen Yggdrasils [Bearbeiten]
1. Himmel
Asgard (Asenstätte): Heimat des bestimmenden
Göttergeschlechts der Asen.
Folkwang (Volksplatz) und Walhall (Schlachtenhalle): Ort der
Helden.
Vingólf (Weinhaus): Sitz der Asengöttinnen.
Bifröst: die Asgard und Midgard verbindende
Regenbogenbrücke.
Wanaheim (Wanenheim): Heimat des von den Asen besiegten
Göttergeschlechts der Wanen.
Liusalfheim (Lichtelfenheim): Heimat der Elfen (Lichtelfen).
2. Erde
Midgard (Mittelstätte): Heimat der Menschen.
Utgard (Außenstätte): unbewohnte Außenwelt.
Jötunheim (Riesenheim): Heimat der Riesen.
Muspelheim (Flammenheim): Heimat der Feuerriesen.
3. Unterwelt
Svartalfheim (Schwarzelfenheim): Heimat der Zwerge
(Schwarzelfen).
Niflheim (Dunkelheim): Heimat der Frostriesen, Reich des
Eises, des Nebels und der Finsternis (Polarnacht).
Hel (Versteck): Totenreich.
Unterwelt der Asen zum Fluss Äsir.
Himthusen (einst mal Ginnungagap).
Hvergelmir (Brodelkessel): Hölle.
Symbolik [Bearbeiten]
Yggdrasil, die Weltenesche, ist ein Sinnbild der Schöpfung
als Gesamtes: räumlich, zeitlich und inhaltlich. Er ist der Weltenbaum, weil er
im Zentrum der Welt steht und alle Welten miteinander verbindet. Als Weltachse
(axis mundi) verbindet er die drei Ebenen Himmel, Mittelwelt und Unterwelt. Als
Himmelsstütze stützt er das Himmelsgewölbe.[1] Die
Edda nennt ihn auch den Maßbaum. Die Welt reicht nur so weit wie seine Zweige
und Wurzeln reichen und die Schöpfung besteht nur solange wie er besteht. Ein
Sinnbild der Raumzeit. Yggdrasil ist auch ein Sinnbild des Lebens an sich, und
von Vergehen und Werden, der Wiedererneuerung des Lebens. Die Tiere am Baum
nehmen von seiner Lebenskraft, die drei Nornen besprengen ihn mit dem heiligen
Wasser des Urdbrunnens und schenken ihm immer wieder neue Lebenskraft. Da
Yggdrasils Leben sich immer wieder erneuert oder weil Yggdrasil immergrün ist,
ist die Weltenesche auch ein Sinnbild der Unsterblichkeit. Durch Odins Selbstopfer
wird Yggdrasil zum Opferbaum. Da Odin sich selbst an Yggdrasil aufhängt, um das
geheime Wissen bei den Wurzeln Yggdrasils zu erlangen, kann man in Yggdrasil
auch einen Wissensbaum sehen, über den man zum geheimen Wissen gelangt.[2]
Kult [Bearbeiten]
Über die Rolle der Weltenesche Yggdrasil im Kult ist nichts
bekannt.[3] Angesichts der zahlreichen germanischen
Baumkulte ist es wahrscheinlich, dass bei den Germanen bestimmte materielle
Bäume den mythischen Weltenbaum darstellten. Sie müssen aber nicht zwingend
eine Esche gewesen sein. Die Donareiche, die Irminsul oder der heilige Baum im
schwedischen Uppsala, von dem Adam von Bremen im 11. Jh. berichtet, könnten
kultische Entsprechungen von Yggdrasil gewesen sein. Sie sind zusammenhängend
mit Yggdrasil zu betrachten.[4] Von den baltischen
Prußen ist eine solche Kultstätte in Romove überliefert.[5]
Nach der Edda ist Yggdrasil der Thingplatz der Götter. Hier
versammeln sie sich, beraten sich und halten Gericht. Da die Verhältnisse in
der Götterwelt oft die irdischen Verhältnisse spiegeln, kann davon ausgegangen
werden, dass das germanische Thing an oder in der Nähe eines kultischen
Weltenbaums stattfand. Vermutlich wurde es von Ritualen begleitet.[6] In germanischer Zeit waren das Religiöse und das Rechtliche
noch nicht voneinander getrennt. Die Gerichtsbäume des Mittelalters (in
Deutschland Eichen und Linden) könnten ein Nachhall der alten Zeit sein.
Vom heiligen Baum in Uppsala werden Tier- und
Menschenopferungen berichtet. Die Irminsul wird als Himmelsstütze und Weltachse
gedeutet.
Etymologie [Bearbeiten]
Der Name Yggdrasil, altnord. Yggdrasill, setzt sich wohl
zusammen aus altnord. yggr „Furcht, Schrecken, Schrecklicher (siehe Liste der
Beinamen Odins)“ und altnord. drasill „Pferd“.[7]
Überwiegend geht man davon aus, dass Yggdrasil „Pferd des
Schrecklichen (Odins Pferd)“ heißt, und dass damit die Weltesche selbst als
Odins Pferd bezeichnet wird.[8] Odin hing in einem
Selbstopfer an Yggdrasil (Lieder-Edda: Hávamál, 138) – wie an einem Galgen.
Noch in späterer Zeit sagten die Deutschen, Engländer und die nordgermanischen
Völker zum Galgenbaum ‚Ross’ und zum Gehängten ‚Reiter’.[9]
Der isländische Gelehrte Eirikr Magnusson meinte jedoch,
Yggdrasil sei das Reittier des Odin und nicht der Baum
selbst gewesen. Der eigentliche Weltenbaum habe ‚askr Yggdrasil’ geheißen.[10] Der Baum an den Odin sein Pferd bindet.[11]
Eine weitere Ansicht führt altnord. yggr auf seine
eigentliche Bedeutung „Schrecken“ zurück und übersetzt den Baumnamen mit
„Schreckensbaum, Galgen“[12] Damit wird wiederum Odins Selbstopfer am Galgen
des Weltenbaums zum Ausdruck gebracht.
Einen anderen Weg schlägt eine grundsätzlich weiter
zurückreichende Deutung ein, als die Deutungen der eddischen Literaturen. Diese
basiert auf Vergleichen zu anderen indogermanischen religiös-kultischen
Vorstellungen. Danach bedeutet Yggdrasil „Eibensäule“. Altnord. yggia sei von
germ. *igwja „Eibe“ und altnord. drasill von idg. *dher- „stützen“
abgeleitet.[13]
Historische Wurzeln [Bearbeiten]
Die geschichtlichen Wurzeln des nordischen Weltenbaums
reichen mindestens zurück bis in indogermanische Zeit, da der Weltenbaum zum
mythologischen Fundus vieler indogermanischer Völker gehört[14]: Balten (die
Eiche Austras koks), Inder (der Feigenbaum Asvattha), Perser (Simurgh-Baum) und
Slawen – ggf. auch der Baum der Hesperiden der Griechen. In diesen Mythologien findet sich oft ein Greifvogel an der Spitze und/oder eine
Schlange an den Wurzeln des Baums.
Kaum mehr wird heute vertreten, dass Yggdrasil eine
spätheidnische Entlehnung des mittelalterlichen, christlichen Kreuzbaumes ist.[15] Eher geht man davon aus, dass die Vorstellung des
christlichen Kreuzbaums durch heidnische Vorstellungen beeinflusst wurde.[16]
Schamanische Bezüge [Bearbeiten]
In den zirkumpolaren schamanischen Kulturen des Nordens von
Nordamerika, Europa und Asien finden sich ähnliche Vorstellungen des
Weltenbaums wie sie von Yggdrasil berichtet werden. In Kult und Mythologie der
Germanen und ihrer Nachfahren sind noch schamanische Spuren vorhanden.
Insbesondere bei Odin. Das Selbstopfer Odins an Yggdrasil, sein enger Bezug zur
Ekstase und sein achtbeiniges Pferd Sleipnir sind Merkmale, die dem
Schamanischen sehr nahe stehen.[17]
Man kann davon ausgehen, dass der nordische Weltenbaum aus
einer Zeit stammt, in der er von Schamanen in ihrer praktischen Arbeit genutzt
wurde. Kennzeichnend für Weltenbäume dieser schamanischen Kulturen ist die
Vorstellung, dass der Weltenbaum die Welt in ihrer Gesamtheit darstellt. Somit
ist er zugleich auch der erste aller Bäume. Er steht im Zentrum der Schöpfung
und verbindet die drei Ebenen Himmel, Erde und Unterwelt (und alle sonstigen
Welten, die es gibt) miteinander. Meist ist er mit einer Muttergottheit und
Martyrium verbunden.[18] Sieht man in der Norne Urd
eine alte Muttergottheit, so vereinigt Yggdrasil all diese grundlegenden
Merkmale in sich. Unterschiedlich ist im Übrigen in den verschiedenen
schamanischen Kulturen die Baumart des Weltenbaums.
Schamanen nutzen den Weltenbaum in ihrer Arbeit zum
Aufsteigen und Absteigen, um in die anderen Welten zu gelangen (zu reisen),
damit sie dort Angelegenheiten der Menschen besorgen können.[19] An einer
Entsprechung des Weltenbaums werden Schamanen z.T. auch initiiert.[20] Odins
Selbstopfer (Martyrium) an Yggdrasil, um an das geheime Wissen (der Runen) in
der Tiefe zu gelangen, kann durchaus als schamanischer Initiationsritus
aufgefasst werden.[21]
Von der Eibe Yggdrasil [Bearbeiten]
In der Forschung wird von namhaften Wissenschaftlern die
These vertreten, dass der Weltenbaum Yggdrasil nicht auf eine Esche, sondern
auf eine Eibe zurückgehe (z.B. L.F. Läffler, Franz Rolf Schröder, Jan de
Vries).
Die These stützt sich insbesondere auf die knappe
Schilderung Adams von Bremen aus dem 11. Jh. über den heiligen Baum, der im
Tempelbezirk Uppsalas in Schweden stand. „Nahe bei diesem Tempel steht ein sehr
großer Baum, der seine Zweige weithin ausbreitet und im Winter, wie im Sommer
immer grün ist. Welcher Art derselbe ist, weiß
niemand. Dort ist auch eine Quelle [...]“[22]
Die fast deckungsgleiche Beschreibung des mythischen
Weltenbaums in der Lieder-Edda spricht dafür, dass der heilige Baum zu Uppsala
den mythischen Weltenbaum verkörperte. So heißt es über Yggdrasil: „Eine Esche
weiß ich stehen, sie heißt Yggdrasil, ein hoher Baum […] Immergrün steht sie
über dem Brunnen der Urd.“ (Lieder-Edda: Völuspá, 19). Und über Mimameid, den
mit Yggdrasil gleichzusetzenden Baum, wird gesagt: „Niemand weiß, aus welchen
Wurzeln er wächst.“ (Lieder-Edda: Fjölsvinnsmál, 20).
Alle Merkmale beider Beschreibungen stimmen überein, bis auf
eins. Eine materielle Esche ist nicht immergrün. Die einzige heimische
immergrüne Baumart, die noch in dieser Region Schwedens wachsen konnte, war die
Eibe – ein Nadelbaum.
Für einen mythischen Weltenbaum mit Nadeln spricht auch die
zweimalige Verwendung des Wörtchens barr in der Edda. „Vier Hirsche dringen ins
Geäst [Yggdrasils] und beißen die Blätter [barr] ab.“ (Prosa-Edda:
Gylfaginning, 17) „Wie heißt der Baum [barr], der die Zweige breitet über alle
Länder?“ (Lieder-Edda: Fjölsvinnsmál, 19) Denn an. barr kann man auch mit
Nadelbaum oder Nadel übersetzen.[23]
Nach einer (allerdings umstrittenen) Deutung heißt Yggdrasil
ursprünglich nichts anderes als „Eibensäule“. Ganz zu schweigen davon, dass
eine Eibe in fast ganz Europa der Symbolik des Weltenbaums weitaus näher steht
als die Esche. Die Eibe ist Symbol der Unsterblichkeit (immergrün, hohes
Alter), des Todes (Friedhofsbaum) und gilt als Zauberabwehrmittel par exellence
(Vor den Eiben kann kein Zauber bleiben). Zudem war die Eibe heiliger Baum der
Kelten.
Die Verwandlung von Eibe zu Esche erklärt man sich z.B.
dadurch, dass beide Bäume auf Island, wo die Edda abgefasst wurde, nicht wuchsen und die Baumarten in Unkenntnis verwechselt wurden.
Die Nordgrenze des Verbreitungsgebiets beider Bäume in Europa ist
Südskandinavien.
Es gibt aber auch Argumente gegen die These des immergrünen
Nadelbaums Yggdrasil. Die Schilderung des heiligen Baums in Uppsala von Adam
von Bremen, die er selbst nur aus zweiter oder dritter Hand hatte, kann
mythologisch beeinflusst gewesen sein.
So wie die Esche nicht immergrün ist, kann man
entgegenhalten, dass die Eibe kein hoher Baum ist. Denn große Baumhöhe ist kein
Merkmal der Eibe. Die Europäische Eibe (Taxus baccata) wird maximal 20 m hoch,
die Gemeine Esche (Fraxinus excelsior) als höchster Laubbaum unserer Breiten
immerhin etwa 40 m.
Auch wenn der Baum in Uppsala ein Nadelbaum gewesen wäre, so
wäre damit noch nicht gesagt, dass Yggdrasil auch ein Nadelbaum war.
Schließlich kann auch eine andere Baumart den Weltenbaum vertreten, während eine
mythische Esche ohne Weiters immergrün sein könnte, da mythische Wesen oft
Fähigkeiten haben, die ihre materiellen Entsprechungen nicht haben.
Die Frage, ob Esche oder Eibe, ist bislang nicht abschließend geklärt. Letztlich kann jeder materielle Baum eine Entsprechung des mythischen Weltenbaums sein.